… zu einer solidarisch-ökologischen Wirtschaftsweise und gemeinschaftlichem Absichern von Grund und Boden.
Autor: Lorenz Glatz sen.
Es hat schon schräg zu den Strukturen und Denkweisen begonnen, in der heute die Produktion von Nahrungsmitteln abläuft. Dort gilt Nahrung vor allem als Ware, die einerseits produziert wird, um möglichst viel Geld zu verdienen und andererseits möglichst dort gekauft wird, wo sie am billigsten ist. Da aber sind Gärtnerinnen, die pflegen die Pflanzen achtsam, statt sie bloß auszunützen. Das steht schräg zum Effizienz- und Profitdenken in der Welt der Wirtschaft. Von dieser sind jene Gärtner halt nicht so recht. Auf den zwei Märkten, wo sie wöchentlich gestanden sind mit ihrer frischen Ernte, hat der Geschmack des Gemüses die Kunden begeistert. Kaufanreiz war das wohl, aber mit dem Einkommen, das sie da auf dem Markt erzielten, gab es doch kein rechtes Auskommen.
Man sollte also „realistisch“ werden, so agieren, wie es dem „Gang der Dinge“ nun einmal entspricht: sich spezialisieren, rationalisieren und so. Geschmack dran gefunden haben die Gärtnerinnen keinen. Auf der Suche nach einem Ausweg haben sie schließlich von „Community Supported Agriculture – CSA“ gehört, und einen Hinweis auf den Buschberghof bei Hamburg gab es bald auch. Es kam dann eine ganze „Arbeitsgruppe“ zustande, die den „Ausweg aus der Wirtschaft“, könnte man das nennen, bahnen wollte. Sie nahm Kontakte auf, informierte sich und interessierte Leute. Man brauchte da durchaus Ungewöhnliches: Menschen, die bereit waren, das Budget eines Betriebs zu finanzieren und dafür das zu bekommen, zu kochen und zu genießen, was gerade auf den nahen Feldern wächst – vom Wetter abhängig einmal mehr und einmal weniger, einmal mehr diese, ein andermal mehr jene Gemüsesorten. Zum Teil sollte man sein Gemüse noch in abgepackten Kistln bekommen, der Großteil der Versorgung aber würde in „freier Entnahme“ gestaltet, die Mitglieder würden kommen, sich nehmen, was sie für die nächste Woche brauchen und dabei zugleich an den Bedarf der andern denken. Und zahlen sollten nicht alle einfach ihren Anteil, sondern je nach ihren Verhältnissen mehr oder weniger. Und mithelfen möge man auch noch, auf den Feldern, bei der Verteilung und der Verwaltung des Geschehens. Das klang ziemlich nach einer neuen Welt von Gemeinschaft und Rücksichtnahme inmitten einer alten, wo einfach Kaufkraft und Zahlung bestimmen, was wer brauchen darf.
Die Initiative Ge(meinsam) La(ndwirtschaften) Ochsenherz um diesen Gärtnerhof in Gänserndorf ist tatsächlich mit dem Jahr 2011 auf die Welt gekommen, tatsächlich etwas Neues, freilich behaftet mit jeder Menge Altem. Immerhin beteiligen sich vier von zehn Mitgliedern zumindest zaghaft an der Selbsteinschätzung ihres Beitrags zum Budget über dem Durchschnitt wie darunter und sind an die zwanzig Prozent der 300 Beteiligten von ein wenig bis sehr intensiv bei freiwilligen Tätigkeiten dabei, nicht weil es einen geldwerten Vorteil brächte, sondern weil es „Freude macht“ und „Sinn“. Wer bedenkt, wie intensiv die Lebensweise des Konsumismus und des „Jeder ist sich selbst der Nächste“ den Alltag längst durchdringt, ist das ein schöner, wenn auch kleiner Anfang. Und auf die eine oder andere Weise versuchen sich daran inzwischen mehr als zwanzig andere Projekte auch.
Wie gefährdet aber so ein Pflänzchen wie die GeLa Ochsenherz in unserer Markt- und Geldwirtschaft sein kann, hat sie auch bald sehr deutlich zu spüren bekommen: Gänserndorf liegt nah bei der wachsenden Großstadt Wien. Investoren spekulieren auf steigende Bodenpreise und lukrative Bauten. Auch kleine Grundbesitzer möchten davon ein wenig profitieren. Ochsenherz hat kaum drei ha Eigengrund, der liegt aber abseits vom Großteil der damals genutzten Fläche, die bloß Pachtland war. Dort wurde in Bauland umgewidmet – und die Pacht nicht mehr verlängert. An diesem Stück Boden hing aber die Infrastruktur – Ruheraum und Sanitäranlagen für die Gärtner waren dann nicht mehr erreichbar, der Brunnen nicht mehr zugänglich, die Folientunnel abzubauen. Neues Pachtland beim Eigengrund fand sich schließlich doch, die zweihunderttausend Euro für Übersiedlung, Ankauf und Ausstattung von Containern, Anschluss an Strom und Kanal lagen jedoch nicht herum. Mangels Sicherheiten wohl nur schwer auch auf einer Bank.
In der Markt- und Konkurrenzwirtschaft ist hier die Geschichte meist an ihrem Ende, im Fall von Ochsenherz aber wurde diese Krise zum nächsten Stückchen Aufbruch in ein Neues: Der Mitgliederverein von GeLa Ochsenherz übernahm die Finanzierung. Einige Mitglieder spendeten oder liehen Geld und etliche zahlten für ihre Ernteanteile einige Jahre im Voraus. Abgestottert wird das Geliehene und Vorgestreckte mit Gemüse bzw. aus dem Budget, sodass am Ende sich alle beteiligt haben werden. Die Mitglieder wollten entgegen der üblichen Logik beim Geldverleihen nichts daran verdienen, sondern einfach den Bestand solidarischer Landwirtschaft über den Wechsel der heute beteiligten Personen hinaus absichern. Die Anschaffungen und das Stück Land, zu dem sie gehören, werden daher in Zusammenarbeit mit dem Verein „RASENNA – Boden mit Zukunft“ in eine neu zu gründende Stiftung eingebracht – „Munus Stiftung – Boden für gutes Leben“ soll sie heißen, die Bedeutungen von „Aufgabe/Verbindlichkeit“ und „Geschenk“ sind hier in einem (lateinischen) Wort zusammengefasst.
Das Wesen einer Stiftung liegt darin, dass sie keine Eigentümer hat, sondern einen Zweck, an den die Verwalter gebunden sind. Man ist bei solchen Zwecken nicht zufällig daran gewöhnt, an Steuervermeidung und die Versorgung reicher Erben zu denken. Im Falle der Munus Stiftung (in Gründung) jedoch ist der Zweck, dass dieses Stück Land und die mit ihm verbundenen Anlagen und Güter aus Verkauf und Spekulation herausgenommen und für solidarische und ökologische Landwirtschaft zu reservieren sind. Ungewöhnlich, aber für die Menschen nützlich, wenn man über den Tellerrand hinausschauen will.
Die Munus Stiftung hat als unveränderlichen Zweck die Förderung ökologischer und solidarischer Lebens- und Wirtschaftsweise in der Landwirtschaft und anderen Bereichen, und sie gewährleistet durch einen Aufsichtsrat, der mit den Vertretern der Initiativen, die mit Stiftungsgut werken, besetzt sein wird, auch eine lebensnahe Praxis.
Schon für die Errichtung werden weitere zwei Hektar Ackerland das Gründungsgut der Munus Stiftung vergrößern. Sie stammen von der eben aus Ochsenherz hervorgehenden weiteren solidarischen Landwirtschaft Ouvertura in Moosbrunn, südlich der Donau. Das ist der erste Schritt auf einem möglichen und erwünschten Weg zukünftiger Entwicklung dieser Stiftung auch nach ihrer Gründung. Die Erde, von der Pflanzen und Tiere einschließlich der Menschen leben, soll mit jedem weiteren solchen Schritt ein Stückchen weniger Objekt der Geldverwertung, sondern befreite Quelle von Leben sein. Große Worte realisieren sich auch in kleinen, hoffentlich fruchtbaren und zur Nachahmung anstiftenden Taten.
Diese sind dringend nötig: Allein in Österreich geben nach Zahlen von 2014 jährlich 2300 Bauernwirtschaften auf – und vergrößern damit den Umfang und Einfluss industrieller Landwirtschaft (Der Standard – Bauernsterben geht weiter, Betriebe werden größer – 30.05.2014). Zusätzlich wird nach einer Untersuchung von 2017 täglich (!) Boden im Ausmaß von drei Fußballfeldern durch Bau von Häusern, Straßen und dergleichen versiegelt. Wenn das so weiter ginge, bliebe in zweihundert Jahren kein Flecken Ackerland und freie Natur mehr übrig (Wiener Zeitung – Versiegelt – 29.03.2017).
Bauern zum Beispiel, aber auch andere Grundbesitzer können in Erkenntnis der Destruktivität dieser Entwicklung ihren Grund und Boden und auch sein Zubehör über ihr Leben hinaus für ökologische Landwirtschaft oder solidarisches Leben und Wirtschaften auf anderen Gebieten mit Hilfe der Munus Stiftung reservieren und ihr Lebenswerk absichern, auch ohne zu Lebzeiten ihren Lebensunterhalt zu schmälern. Und überhaupt können Menschen, die Geld- und andere Vermögenswerte dem Stiftungszweck auf irgendeine Weise widmen wollen, in der Munus Stiftung ein Instrument dafür finden.
Umgekehrt können landlose junge Menschen, die heute große Schwierigkeiten haben, eine Bauernwirtschaft zu gründen und zu betreiben, durch diese Stiftung zu Grund und Boden, Gebäuden und Betriebsmittel kommen. Ebenso Initiativen, die solidarisches Leben und Wirtschaften auch auf anderen Feldern einpflanzen wollen. Die Munus Stiftung sieht ihre „Aufgabe“ darin, jene „Geschenke“ Früchte tragen zu lassen für die Menschen.
Wir sind zu unserem Tun und Denken gekommen, weil andere uns angeregt haben, und so wollen wir einen weiteren Anfang machen und mit dieser Gründung gewissermaßen einen Stein ins Wasser werfen. Wir hoffen, dass er Wellen schlägt, die Kreise ziehen.
Wer die GeLa zumindest ausprobieren will, hat noch die Möglichkeit, das für diese Saison (Mai bis November) zu tun. Es gibt noch ein paar Kistl-Plätze. Schaut auf www.ochsenherz.at. Für nicht wenige sind Kistl eine Art Einstiegsdroge.
Wer beim Namen „Ochsenherz“ nicht gleich an Gemüse denkt, der ist nicht allein. Die Gärtnerei hieß ursprünglich „vis a vis“, weil das Wohnprojekt „Lebensraum“, von wo die ersten Gärtner und Esser kamen, gleich gegenüber lag. Mit Gemüse und Gärtnern hatte dieser Name aber schon überhaupt nichts gemein. Also schrieb wer eine Menge Gemüsesorten für einen neuen Namen auf, von denen bei einem Nicht-Gärtner ausgerechnet dieser merkwürdige sowohl Karotten- wie Paradeiser- und auch Krautsortenname „Ochsenherz“ hängen blieb. Vielleicht hat er so viel davon geredet, dass das der Grund war, warum man nach ein paar Monaten schließlich diesem Namen nachgegeben hat.
Wer da heute noch Zweifel hat, ob der passend ist, der soll in einen solchen Paradeiser beißen. Das überzeugt.