1. Einleitung
Es begann mit einer Problemstellung, die viele Solidarische Landwirtschaften (Solawis) kennen: Es fehlte am Geld. Im konkreten Fall für die Übersiedlung einer Solawi im Nordosten Wiens an einen neuen Standort. Die Pachtflächen, auf denen bis dahin das Gemüse wuchs, waren in Bauland umgewidmet worden und der Eigentümer war begierig das Land zu Geld zu machen.
Neuer Grund stand zur Verfügung, sogar Eigengrund des damaligen Bauern der Solawi, doch außer flachem Land war dort nichts zu finden: Kein Betriebsgebäude, kein Strom und keine Kanalisation. Die zur Erschließung notwendigen Investitionen übertrafen die Möglichkeiten der Jahresbudgets der Solawi um ein Vielfaches. Wie also die Übersiedlung und den Aufbau des neuen Standorts finanzieren? Der Gang zur Bank war ausgeschlossen. Zum einen ideell, aber auch ganz praktisch: Für einen Bankkredit konnte die Solawi keine Sicherheit bieten.
Viel naheliegender war, die Mitglieder um Unterstützung zu bitten. Drei Modelle wurden angeboten: Vorauszahlung der Ernteanteile, Darlehen zur Inflationsrate (die 2014 noch deutlich beschaulicher war) und natürlich Geschenke (Details in „Ökonomische Notizen über solidarische Landwirtschaft”). Wider Erwarten blieb aber die Resonanz bei den Mitgliedern recht verhalten. Nach einigem Grübeln bot die kollektive Leitung der Solawi den Mitgliedern an, die gemeinsam finanzierten Anschaffungen in Gemeinschaftseigentum umzuwandeln, um sie dauerhaft und unabhängig von den handelnden Personen für solidarische Landwirtschaft zweckzuwidmen.
Ein mutiger und offenbar richtiger Schritt: Das Geld begann zu fließen. Die Freude war groß, die Übersiedlung wurde erfolgreich bewerkstelligt, Feste gebührend gefeiert. Doch wie schafft man eigentlich Gemeinschaftseigentum? Wie stellt man sicher, dass Eigentum tatsächlich zweckgewidmet bleibt und nicht wieder privatisiert werden kann? Lässt sich das in unserer Rechtsordnung überhaupt verwirklichen?
2. Warum eine (gemeinnützige Bundes-) Stiftung?
Vereine, die beliebteste Organisationsform in Österreich, schieden von Anfang aus: Mit den entsprechenden Mehrheiten lässt sich das Vereinseigentum immer re-privatisieren. Genossenschaften? GmbHs? Personengesellschaften? Überall dasselbe. Die Markteigenschaft des Eigentums, wieder verkauft und so privatisiert werden zu können, ließ sich mit keiner dieser Rechtsformen dauerhaft einschränken.
Anders ist das jedoch mit Stiftungen. Diese haben zwar in Österreich traditionell den Ruf, ein Vehikel zur Steuervermeidung reicher Menschen und großer Firmen zu sein und werden daher in ökologischen, solidarischen und / oder emanzipatorischen Kreisen bestenfalls neutral bewertet, doch mit einer Gesetzesnovelle 2015 wurde die Gründung einer besonderen Stiftungsform, die der gemeinnützigen Bundesstiftungen, vereinfacht und in mancherlei Hinsicht auf neue Füße stellte, womit Stiftungen eine Option wurden.
Aufmerksam gemacht auf diese Gesetzesnovelle wurde die Arbeitsgruppe Gemeinschaftseigentum der Solawi von Mitgliedern eines Vereins, der parallel zum Solawi Umfeld bereits an der Idee der Gründung einer gemeinnützigen Bundessitftung gearbeitet hatte. Im weiteren wurden die Bemühungen von Arbeitsgruppe und Verein zusammengeführt und die Zielsetzung der zu gründenden Stiftung gemeinsam verallgemeinert, also weit über die Anwendung auf Solawis hinaus ausgedehnt.
Stiftungen haben nämlich eine höchst interessante Eigenschaft: Sie haben keinen Eigentümer. Und schon das allein ist in Zeiten, in denen beinahe jeder Kieselstein jemandem gehört, bemerkenswert.
2.1 Stiftungen und ihr Zweck
Wenn nun eine Stiftung keinen Eigentümer hat, wer entscheidet dann über das Eigentum der Stiftung? Und was geschieht überhaupt mit diesem Eigentum? Wie und wofür wird es eingesetzt? Kann man Eigentum damit unumkehrbar aus dem Markt nehmen?
Ein Teil der Antworten auf diese Fragen steckt im Stiftungszweck. Dieser legt fest, welchem Ziel die Tätigkeiten der Stiftung zu dienen haben. Und hier beginnt die Sache interessant zu werden. Warum nicht eine Stiftung mit einem passenden, also einem ökologischen, solidarischen und emanzipatorischen Zweck ausstatten? Das ist der Grundgedanke hinter der Munus Stiftung – Boden für gutes Leben. Und während der formale Zweck deutlich juristischer formuliert ist (siehe Munus Satzung), wird in der Präambel der Munus Stiftung deutlich, worum es geht:
Der Erdboden, die Sonne, das Wasser und die Luft sind Grundlage und Gemeingut allen Lebens. Achtsamer und nachhaltiger Umgang damit ist grundlegende Aufgabe der Menschheit.
Diese Aufgabe kann nur in sorgsamem Miteinander der Menschen und solidarischer und kooperativer Lebensweise erfüllt werden. Das ist die Voraussetzung eines guten Lebens für alle.
In diesem Sinn betrachten wir unsere Welt als Geschenk und Aufgabe zugleich – als Munus, als den Boden für gutes Leben.
Diesem Zweck haben nun die Ausgaben der Stiftung zu dienen. Fördergelder, die die Stiftung ausschüttet, dienen somit einzig der Erreichung dieser Ziele.
2.2 Die Sache mit der Gemeinnützigkeit
Um eine gemeinnützige Bundesstiftung zu werden, muss eine Reihe von Hürden überwunden werden, ist die Gemeinnützigkeit in Österreich doch nicht so leicht zu haben.
Kernstück ist die Bundesabgabenordnung, in der festgelegt ist, was als gemeinnützig gilt. Die Satzung wird vor Eintragung der gemeinnützigen Bundesstiftung in das Stiftungs- und Fondsregister durch das Finanzamt geprüft und erst freigegeben, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen für Gemeinnützigkeit entspricht. Dieser Prozess läuft alles andere als zügig, so hat er im Fall der Munus Stiftung mehr als ein Jahr in Anspruch genommen, hat aber zugleich den Vorteil gegenüber anderen Stiftungsformen, dass der gemeinnützige Handlungsrahmen bereits im Vorhinein abgeklärt ist.
Die Gemeinnützigkeit bringt wesentliche Steuervorteile. Konkret fallen bei Zustiftungen / Schenkungen an die Munus Stiftung keine Grunderwerbssteuer und keine Grundbucheintragungsgebühr an. Wesentlich deswegen, da ohne diese Rechte für eine Zustiftung nicht nur das Eigentum geschenkt, sondern darüber hinaus noch Geld für die anfallenden Steuern und Gebühren mitgebracht werden müsste, was die Hürde für Zustiftungen deutlich anheben würde.
Obwohl die Munus Stiftung satzungsgemäß transnational ist, also für Zustiftungen in anderen Ländern prinzipiell offen ist, gelten diese Steuervorteile natürlich nur innerhalb Österreichs.
Eine weitere „Stufe“ der Gemeinnützigkeit, die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden, ist zwar in der Satzung bereits vorgesehen, aber noch nicht formal umgesetzt, da dazu die ersten drei Jahre gemeinnütziger Aktivität der Stiftung nachweisbar sein müssen. Da auch diese drei Jahre im Frühjahr 2022 abgelaufen sind, ist das eine der anstehenden formalen Aufgaben.
2.3 Förderung gemeinnütziger Projekte
Hat man nun also eine gemeinnützige Bundesstiftung erfolgreich geplant, mit dem Finanzamt ausverhandelt und im Stiftungs- und Fondregister des Innenministeriums eintragen lassen, kann man beginnen mit dem Ertrag aus dem Vermögen der Stiftung (das im Übrigen nie unter 50.000€ fallen darf) gemeinnützige Projekte zu fördern.
Im Fall der Munus Stiftung sind das primär Projekte aus den Bereichen von Natur- und Umweltschutz und Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen. Im untergeordneten Ausmaß sind darüber hinaus auch Themen wie Forschung, Kultur, Bildung und Wohnungswesen förderbar.
3. Spezifika der Munus Stiftung
Zusammengefasst verwendet die Munus Stiftung ihre Einnahmen, um gemeinnützige Projekte gemäß ihres Stiftungszwecks zu fördern.
Doch was hat das alles noch mit dem ursprünglichen Ziel der Sicherung von Investitionen einer Solawi zu tun? Das Instrument der gemeinnützigen Bundesstiftung wie bis zu diesem Punkt beschrieben nur am Rande. So ist die Quelle der Einnahmen den gemeinnützigen Regeln nicht unterworfen, sondern nur die Verwendung der Ausgaben. Es wäre mit einer gemeinnützigen Bundesstiftung beispielsweise möglich, Aktien an einem Rüstungsunternehmen zu halten und mit den Einnahmen aus den Dividenden gemeinnützige Projekte zu fördern, eine Konstruktion, die der Stiftungsidee der Munus Stiftung diametral widerspräche.
Wir haben dieses Instrument daher unseren Vorstellungen angepasst und um über die oben beschriebene Konstruktion hinausgehende Mechanismen erweitert.
3.1 Vermögensverwaltung
Die wesentlichen wiederkehrenden Einnahmen der Munus Stiftung kommen aus der Vermietung und Verpachtung des Eigentums der Stiftung. Da dieses Eigentum von Organisationen genutzt wird, die sich ohnedies am Stiftungszweck orientieren, liegt es nahe, die Regeln und Bedingungen für das Ausgeben der Stiftungseinnahmen auch auf die Verwaltung des Stiftungsvermögens auszudehnen!
Die schönen Sätze der Präambel gelten also im Falle der Munus Stiftung nicht nur für die Förderung von Projekten, sondern gerade auch für die Verwaltung des Vermögens der Munus Stiftung. Sie ist also auf beiden Seiten an ihre inhaltlichen Ziele gebunden, beim Fördern gemeinnütziger Projekte ebenso wie beim Verwalten des Stiftungseigentums.
Dieser Zugang kommt in der Satzung so zum Ausdruck:
§4(1) […] Im Übrigen sind die Ziele, die in der Präambel und in §2 und §3 definiert sind, auch für die Verwaltung des Stiftungsvermögens richtungsweisend.
§4(2) […] Bei der Vergabe (von Stiftungseigentum, Anm.) an Nutzerinnengemeinschaften ist deren Orientierung an ökologischen und solidarischen Anschauungen, wie sie in der Präambel und den Stiftungszwecken zum Ausdruck kommen, von höherem Gewicht als die Höhe der Rendite.
3.2 Veränderungen der Satzung
Schon sind wir also den ursprünglich beschriebenen Zielen näher gekommen – gelten sie schließlich auch für die Verwaltung des zu sichernden Vermögens, das nur im Sinne von Stiftungszweck und Präambel genutzt werden darf.
Wie aber wird eine Satzungsänderung verhindert, mit der diese Regeln ausgehebelt werden könnten? Dazu bietet das Stiftungsrecht einen interessanten Zugang: Teile der Satzung können unveränderbar gemacht werden, eine Möglichkeit, die die Munus Stiftung genutzt hat: Die inhaltlich ideellen Schwerpunkte der Munus Stiftung, wie auch die Regeln zur Vermögensverwaltung sind unveränderbar, haben also mindestens so lange Bestand, als unsere Rechtsordnung in der heutigen Form weiter existiert.
Veränderbar sind lediglich die Regeln der „Governance“, also der Entscheidungsfindung innerhalb der Stiftung. Sollte also die Munus Stiftung, was zu hoffen ist, weiterhin wachsen, so kann der Punkt erreicht werden, an dem die heutigen Strukturen zu schwerfällig werden und neue und möglicherweise arbeitsteiligere Entscheidungsmechanismen auf Grundlage der unveränderbaren Teile der Satzung gefunden werden müssen.
Durch die Verknüpfung von Stiftungszwecken und Vermögensverwaltung und der Unveränderbarkeit der inhaltlich zentralen Teile der Stiftungssatzung ist somit ein Mechanismus geschaffen, Eigentum dauerhaft und wenn gewünscht unumkehrbar den Zielen der Munus Stiftung zu widmen.
3.3 Stiftungsvermögen, Zustiftungen & Schulden
Ob Stiftungsvermögen unter Umständen wieder verkauft werden kann, hängt davon ab, unter welchen Bedingungen es in die Stiftung eingebracht wurde. Zum ersten kann schuldenfreies Eigentum der Stiftung mit der Bedingung geschenkt werden, dass dieses nicht wieder verkauft werden darf. Dann ist dieses Eigentum dauerhaft in der Stiftung gesichert.
Zum zweiten kann Eigentum mit der Maßgabe in die Stiftung eingebracht werden, dass es sehr wohl verkauft werden kann oder soll, wenn die Stiftung einen besseren Verwendungszweck für die im Eigentum gebundenen Mittel findet.
Der dritte mögliche Fall ist, dass Eigentum mit Schulden, die den Wert des Eigentums nicht übersteigen dürfen, in die Stiftung eingebracht wird. Sollten diese Schulden – aus welchen Gründen auch immer – von der Munus Stiftung nicht mehr bedient werden können, so ist ein ganzer oder teilweiser Verkauf des Eigentums möglich, um die Schulden zu decken. Belastetes Eigentum kann also nicht unverkäuflich in die Stiftung eingebracht werden.
Doch selbst im Falle eines geplanten oder notwendigen Verkaufs im zweiten oder dritten Szenario sind die unveränderlichen Regeln diesbezüglich klar:
- Bereits vor dem Verkauf muss fixiert sein, in welchen neuen Ankauf das Geld fließen wird.
- Die Fläche im Eigentum der Munus Stiftung muss durch die Transaktion größer werden. So kann die Stiftung beispielsweise eine Eigentumswohnung verkaufen und damit Ackerland kaufen, nicht aber eine kleinere Eigentumswohnung anderswo.
- Der gesamte Vorgang muss von Aufsichtsrat und Vorstand einstimmig beschlossen werden.
Doch noch gäbe es eine potenzielle Hintertür zu einer Re-privatisierung: Wenn das Eigentum der Stiftung als Sicherheit für einen Bankkredit dienen und dieser Kredit nicht mehr bedient werden könnte, so würde das Eigentum an die Bank fallen. Um genau dieses Szenario zu verhindern, ist es der Stiftung untersagt ihr Eigentum mit Krediten zu belasten.
Was also einmal schuldenfrei und als unveräußerlich in die Stiftung eingebracht wurde, bleibt auch in der Stiftung.
3.4 Und noch einmal zur Förderung gemeinnütziger Projekte
Bei einer Zustiftung kann es jedoch zu einer seltsamen Situation kommen: Eine Gemeinschaft schenkt ihr Land, ihren Hof, der Stiftung, um dieses Eigentum dauerhaft für ihre Zwecke zu sichern. Als Teil der Regeln, die das Finanzamt rund um die Gemeinnützigkeit aufstellt, ist die Stiftung aber gezwungen vor Ort übliche Pacht von der Gemeinschaft für die Nutzung des Landes beziehungsweise des Hofes zu verlangen.
Das führt zur paradoxen Situation, dass eine Gemeinschaft, die eben noch Land und Hof besessen hat, nun plötzlich für diese Pacht zahlen muss. Ein Ausschluss-Kriterium für die meisten Zustiftungen, ganz zu schweigen von der finanziellen Belastung.
Wie also damit umgehen? Erfreulicherweise führen die meisten für die Munus Stiftung in Frage kommenden Nutzer*innengemeinschaften eine Vielzahl von Projekten durch, die den Gemeinnützigkeitsanforderungen der Bundesabgabenordnung im Allgemeinen und den Stiftungszwecken der Munus Stiftung im Besonderen entsprechen und daher von der Stiftung gefördert werden können. Praktische Beispiele dazu sind Naturschutzmaßnahmen, Maßnahmen zu Artenvielfalt & -erhalt oder auch der Zugang zu Wohnraum oder Lebensmitteln für sozial oder finanziell ausgegrenzte Menschen.
3.5 Verwaltung der Munus Stiftung durch die Nutzer*innengemeinschaften
Bis zu diesem Punkt haben wir also eine Konstruktion geschaffen, um Eigentum – so das gewünscht ist – unumkehrbar aus dem Markt zu nehmen und dem ökologischen, solidarischen und / oder emanzipatorischen Zweck der Munus Stiftung dienen zu lassen.
Doch wie wird die Stiftung verwaltet? Wer hat das Sagen, wer entscheidet im Rahmen der unveränderbaren ideellen Satzungsteile, wohin die Reise geht? Ganz einfach: Jene Menschen, die das Eigentum der Stiftung nützen, die Nutzer*innengemeinschaften.
Gründungseigentum der Munus Stiftung waren landwirtschaftliche Flächen im Nordosten und Süden Wiens, die von zwei Solawis genützt werden. Folglich entsenden beide Solawis verpflichtend ein Mitglied in den Aufsichtsrat der Munus Stiftung. Und es ist der Aufsichtsrat, der alle maßgeblichen Entscheidungen trifft: Welche Zustiftungen werden angenommen? An wen wird Stiftungseigentum verpachtet / vermietet? Wer wird in den Vorstand berufen? etc.
Die wesentliche Aufgabe des Vorstands ist es, diese Entscheidungen vorzubereiten, also mit interessierten Menschen in Kontakt zu treten und zu bleiben, Artikel wie diesen zu schreiben und Ansprechpersonen zu sein. Die zentralen Entscheidungen obliegen aber dem Aufsichtsrat beziehungsweise Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam.
Zurück zum Aufsichtsrat: Nutzer*innengemeinschaften sind also per Stiftungssatzung und dann konkret per Pacht- oder Mietvertrag mit der Stiftung verpflichtet jemanden in den Aufsichtsrat zu entsenden. Menschen, die der Stiftung Eigentum zustiften / schenken, haben das Recht, nicht aber die Pflicht, ebenfalls in den Aufsichtsrat einzuziehen. Perspektivisch ergibt das – so wie auch schon gegenwärtig – eine wachsende Mehrheit der Nutzer*innengemeinschaften im Aufsichtsrat, schon deshalb, weil diese Gemeinschaften die Stifter des Eigentums, in der Regel überleben werden.
Über Vorstand und Aufsichtsrat hinaus kann die Stiftung Beiräte berufen, die Vorstand und Aufsichtsrat in ihrer Arbeit unterstützen. Aktuell hat die Munus Stiftung zwei solcher Beiräte eingerichtet: einen für Immobilienzustiftung und -verwaltung und einen, um die Solawis, die bereits Stiftungsflächen nützen bei der Einrichtung eines partizipativen Garantiesystems zu unterstützen (mehr dazu hier).
3.6 Das Miteinander der Nutzer*innengemeinschaften
Um zu verhindern, dass in Widerspruch zu Präambel und Stiftungszweck Konkurrenz zwischen den Nutzer*innengemeinschaften aufkommt, gibt ihnen die Stiftung in ihrer Satzung ein Konkurrenzverbot / Kooperationsgebot vor. In Anbetracht der aktuell (noch?) recht überschaubaren Größe der Munus Stiftung scheint dies ein wenig weit vorgegriffen, doch bereits heute nutzen zwei Solawis Land der Stiftung. Und obwohl die Kooperation zwischen diesen beiden Solawis bereits älter ist als die Munus Stiftung selbst, ist sie doch ein schönes Beispiel, wie das Kooperationsgebot in Zukunft auch zwischen weiteren Nutzer*innengemeinschaften gelebt werden kann.
So produzieren die beiden Solawis gegenwärtig großteils komplementäre Lebensmittel, sodass Menschen Mitglied bei beiden werden und dadurch einer Lebensmittel-Vollversorgung durch Solawis näherkommen können. Darüber hinaus werden Teile der Lieferrouten geteilt, potenzielle Mitglieder aneinander verwiesen und Überschüsse geteilt.
4. Die Munus Stiftung als Commons(verbund)
Die Stiftung besteht also aus Menschen, die gemeinsam Ressourcen nutzen und die gemeinsam darüber entscheiden, wie mit diesen Ressourcen zum Wohle aller Beteiligten umgegangen wird. Das hatten wir in der Menschheitsgeschichte doch schon einmal: Das ist es, was Commons, Gemeingut oder Allmenden ausmacht.
Commons oder in unseren Breiten Allmenden waren weit verbreitet und der „normale“ Zustand vieler, vor allem natürlicher Ressourcen. Die Bevölkerung konnte vor Ort im Wald jagen und Holz holen, im Fluss fischen und auf den Wiesen ihre Kühe weiden. Diese Ressourcen waren gemeinschaftlich verfügbar und ebenso verwaltet (vom Zehent einmal abgesehen).
Als jedoch im 16. & 17. Jahrhundert im frühkapitalistischen England die aufkommenden Fabriken nach Arbeitern gierten, wurden die Commons für das neue Wirtschaftssystem zum Hemmnis. Wer will schon 16 Stunden am Tag in der Fabrik schuften, wenn man subsistent alles hat, was man zum Leben braucht? Als „Lösung“ wurden die bis dahin frei zugänglichen Commons eingehegt / umzäunt und das Gemeingut aufgehoben, um die somit enteignete und entwurzelte Bevölkerung in die Fabriken der Städte zu zwingen (Siehe auch ursprüngliche Akkumulation).
4.1 Tragedy of the Commons
Selbstverständlich wurde dieser Raub aufgearbeitet, rationalisiert und verklärt. Zwei der herausragenden Ideologen waren 1833 William Forster Lloyd, ein britischer Ökonom und 1968, nicht zufällig knapp vor dem Durchbruch des Neoliberalismus, noch einmal Garrett Hardin, ein amerikanischer Ökologe. Verkürzt gesagt können laut den beiden Commons prinzipiell nicht auf Dauer funktionieren und das liege an der, wie Hardin es nennt, „Tragedy of the Commons“:
Wenn Menschen beispielsweise eine Weide gemeinsam bewirtschaften, so heißt es, werden sie alle ihre Kühe zuerst auf die gemeinsame Weide treiben, um einen möglichst großen Anteil am gemeinschaftlichen Gut für sich selbst zu haben. So wird die Weide vollkommen abgegrast, der Boden zerstört, und keiner hat mehr etwas von der gemeinsamen Ressource. Gemeinschaftliche Nutzung führe also zur Zerstörung der Ressourcen. Dieser Logik folgend helfe nur Privateigentum, denn nur der Egoismus der Menschen führe dazu, dass mit Eigentum sorgsam umgegangen wird.
4.2 Elinor Ostroms Regeln für Commons
Sieht man sich den Zustand der Welt mit den vielfachen ökologischen Notständen und Übernutzungen an, drängt sich schnell der Verdacht auf, dass das mit dem Privateigentum wohl auch nicht so wirklich funktioniert.
Elinor Ostrom, einer US-amerikanischen Politologin und politischen Ökonomin, die 2009 den Wirtschaftsnobelpreis für ihre Arbeit erhielt, ist die prinzipielle wie auch praktische Widerlegung der Absolutheit von Garret Hardins Aussagen zu verdanken. Ostrom untersuchte weltweit eine Vielzahl von teils Jahrhunderte alten Commons. Nach eingehender Analyse destillierte sie acht Regeln aus ihren Feldbeobachtungen, die das langfristige Funktionieren von Commons möglich machen (mehr dazu hier). Commons funktionieren also doch.
Bei Ostroms Regeln geht es im Wesentlichen um die klar abgegrenzte lokale und bedürfnisorientierte gemeinschaftliche Verwaltung der Ressourcen durch jene Menschen, die diese nutzen. Und gerade solche Regeln gelten für die Munus Stiftung. Sie ist also ein Commons, oder genauer ein Verbund von Commons, da sie sich aus einer wachsenden Zahl von lokalen Commons zusammensetzt, gemäß der Regeln, die Elinor Ostrom entdeckt, zusammengefasst und beschrieben hat.
5. Die Munus Stiftung in der Praxis
5.1 Nutzer*innengemeinschaften bei der Gründung
Doch zurück zum Ausgangspunkt. Die Munus Stiftung hatte bei der Gründung das Ziel, einen Weg zu finden, das gemeinsam angeschaffte Eigentum dauerhaft und unumkehrbar als Gemeinschaftseigentum zu sichern. Und – so viel können wir nach diesen ersten Jahren bereits sagen – dieser Aufgabe wird sie gerecht.
In der Stiftung wird Eigentum dauerhaft und unabhängig von den handelnden Personen für den Zweck der beiden Solawis Gela Ochsenherz und Ouvertura gesichert.
Über die bereits beschriebenen Mechanismen hinaus nimmt diese Konstruktion Konfliktpotential aus den Abläufen der Solawis, wenn es zu Krisen kommt, da es weniger zu holen, weniger zu gewinnen gibt, wenn zentrale Teile des Eigentums einer Privatisierung entzogen und mit dem ideellen Ziel der Solawi untrennbar verbunden sind.
Um das zu gewährleisten und zu vertiefen, ist der Vereinszweck der beiden Solawis Bestandteil des Pachtvertrags mit der Stiftung. So kann abgesehen von der Eigentumsfrage auch die Ausrichtung der Solawi nur in Zusammenarbeit mit der Munus Stiftung entwickelt, keinesfalls aber gegen die Zwecke der Stiftung geändert werden.
Im operativen Handeln der Solawis oder auch anderer Nutzer*innengemeinschaften hat die Stiftung dagegen keinerlei Mitspracherechte oder -pflichten.
5.2 Neue Nutzer*innengemeinschaften
Erfreulicherweise findet das Konzept der Munus Stiftung Anklang. So wurde bereits eine Eigentumswohnung in Wien ins Eigentum der Stiftung übertragen. Doch was tun mit einer Wohnung im urbanen Raum? Obwohl der Ausgangspunkt der Stiftung solidarische Landwirtschaft ist, sind ihre Ziele ungleich weiter gefasst. Nach einer Reihe von Gesprächen konnte mit neunerimmo, eine Hilfsorganisation für Obdachlose, als Nutzer*innengemeinschaft an Bord geholt werden, die ideal zu den Zielen der Stiftung passt und die selbstverständlich durch die Nutzung der Wohnung im Aufsichtsrat der Munus Stiftung als Nutzer*innengemeinschaft vertreten ist. Da sich die eigenen Ziele von neunerimmo mit dem Stiftungszweck decken, findet die Vermietung unter Marktniveau statt und die reduzierte Miethöhe ist somit zugleich Förderung durch die Munus Stiftung an ihre Nutzer*innengemeinschaft.
Eine zweite bereits zugesagte Eigentumswohnung, deren Zustiftung formal noch in Umsetzung ist, wird wohl nach Ablauf des Bestandsmietvertrages ebenfalls durch neunerimmo für Menschen in Not genützt werden.
Eine weitere noch in Umsetzung befindliche Zustiftung betrifft einen alten Bauernhof am Stadtrand von Linz. Dieser wird als Hofgemeinschaft betrieben und mit Fokus auf Subsistenzwirtschaft genutzt, nicht aber als Solawi. Auch diese Zustiftung wird demnach den Horizont wie auch die Erfahrungen der Munus Stiftung erweitern.
5.3 Interessent*innen
Doch damit ist die Liste keineswegs vollständig. Eine stetig wachsende Zahl von Menschen überlegt die Munus Stiftung als Werkzeug zu nutzen, um Eigentum aus dem Markt zu nehmen: Das reicht von Kulturzentren über Hofgemeinschaften und weitere Solawis bis zu Organisationen, die strategisch kleine Grundstücke erwerben, um so größere Flächen vor der Versiegelung zu bewahren.
Die häufig wiederkehrende Motivation bei Interessent*innen ist die direkte oder auch testamentarische Absicherung von Lebenswerken. Die Idee, dass einzelne Menschen aber auch Gruppen ideelle Ziele über ihre jeweilige Lebensspanne hinaus durch die Stiftung sichern können, findet Resonanz.
In der Praxis bewährt sich dabei die Möglichkeit, dass an eine Zustiftung ideelle oder auch materielle Bedingungen geknüpft werden können, solange diese nicht den Stiftungszielen widersprechen.
So können auf der materiellen Seite beispielsweise noch notwendige finanzielle Verbindlichkeiten, wie laufende Darlehen oder Zahlungen, oder die Unverkäuflichkeit der Zustiftung von der Stiftung gemeinsam mit dem Eigentum übernommen oder garantiert werden. Ideell kann innerhalb des Stiftungszwecks die konkrete Richtung der Nutzung vorgegeben werden oder über die Stiftungsziele hinausgehende, ihr aber nicht widersprechende Ziele festgelegt werden.
5.4 Finanzierung
Die Munus Stiftung ist zuallererst ein Werkzeug, um bestehendes Eigentum aus der geschäftlichen Verwertung zu nehmen und einem gemeinnützigen Zweck zu widmen. Die Kehrseite dieser Eignung ist aber, dass die Stiftung als Vehikel zur Finanzierung von neuen Projekten nur bedingt geeignet ist, falls nicht zumindest teilweise bereits Eigentum begründet ist.
Und doch ist es gelungen, auch beim Kauf von Ackerflächen Erfolge zu erzielen. Um an Stiftungsflächen angrenzende Felder für eine der Nutzer*innengemeinschaften erwerben zu können, wurde folgende Konstruktion entwickelt und mittlerweile zweimal erfolgreich umgesetzt:
Die Munus Stiftung sucht gemeinsam mit der Nutzer*innengemeinschaft nach Menschen, die über finanzielle Mittel zum Kauf verfügen und sammelt zeitgleich Spenden bei solchen, damit sich die Stiftung an einem Kauf beteiligen kann. Im nächsten Schritt bildet die Stiftung mit den Spendengeldern als „Ankerkäuferin“ zusammen mit den sich am Kauf beteiligenden Mitgliedern der Nutzer*innengemeinschaft eine informelle Käufer*innengemeinschaft.
„Ankerkäuferin“ ist die Stiftung, weil sie bereits über landwirtschaftliche Flächen verfügt und diese durch den Kauf erweitern will. Daher stößt sie bei der Grundverkehrskommission, die auf den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen achtet und daher Verkäufe von solchen erst genehmigen muss, in der Regel nicht auf Probleme.
Die Mitglieder der Käufer*innengemeinschaft verpflichten sich zeitgleich mit der Unterschrift unter den Kaufvertrag ihren Flächenanteil langfristig an die Munus Stiftung zu verpachten (20-30 Jahre), damit diese den Boden gemäß Stiftungszweck an agrarische Nutzer*innengemeinschaften weiterverpachten kann.
Weiters hat die Stiftung ein Vorkaufsrecht auf die Anteile aller anderen Mitglieder der Käufer*innengemeinschaft. Dieses Vorkaufsrecht gilt zum Kaufpreis plus Inflationsrate bis zum Zeitpunkt des Verkaufs, falls der dann aktuell geltende Marktpreis höher ist. Die mit dieser Konstruktion verbundene Hoffnung ist, dass es so in der Zukunft schrittweise gelingen kann, weitere Flächen in alleiniges Stiftungseigentum zu überführen.
6. Ausblick
Trotz des regen Interesses an der Munus Stiftung steht diese erst am Anfang ihrer Entwicklung, und erst die nächsten Jahre werden zeigen, wie viele der Projekte sich tatsächlich in Stiftungseigentum umwandeln werden.
6.1 Binnenökonomie & Kooperation der Nutzer*innengemeinschaften
Perspektivisch bietet sich jedoch eine Vielzahl an emanzipatorischen Entwicklungsmöglichkeiten. Durch das Kooperationsgebot der Nutzer*innengemeinschaften ist es denkbar, eine Art „Binnenökonomie“ zwischen diesen zu entwickeln, die experimentell bereits jenseits von marktvermittelten Mechanismen funktionieren kann.
Warum also nicht die Produktion eines Stiftungshofes auf mehrere Solawis ausdehnen, das Holz des einen Hofes in der Tischlerei des anderen verarbeiten oder benachteiligte Menschen in die Produktion der Solawis mit einbinden? Die Möglichkeiten wachsen exponentiell mit jeder neuen Nutzer*innengemeinschaft.
6.2 Kooperation
Auch die Kooperation der Munus Stiftung mit inhaltlich verwandten Initiativen, die Werkzeuge zu ähnlichen Fragestellungen bieten, hat interessantes transformatorisches Potential.
Die Ziele des Mietshäusersyndikats beziehungsweise in Österreich von Habitat zur Finanzierung und Vergemeinschaftung von Wohnraum überlappen sich zu großen Teilen mit jenen der Munus Stiftung und ergänzen sich durch den Fokus auf Finanzierung im Modell des Mietshäusersyndikats / von Habitat einerseits und der Sicherung von Bestandseigentum bei der Munus Stiftung andererseits gut.
Zusammenarbeit mit Solawi Verbänden, wie in Österreich Solawi Leben oder mit Organisationen, die Bauern ohne Nachfolger*innen mit Interessierten zusammenbringen wie etwa Perspektive Landwirtschaft bieten sich an.
Ob und wieviel von alledem wir tatsächlich verwirklichen können, welchen Beitrag wir im Kleinen zur so dringend notwendigen Lösung der Vielzahl gesellschaftlicher und ökologischer Probleme leisten können, wird sich zeigen.
Die Munus Stiftung ist ein Werkzeug, um zu einer besseren Welt beizutragen. Lasst es uns nutzen!