Wie das „Bündnis Bodenwende“ ein Umdenken in der deutschen Bodenpolitik anstoßen möchte.
Wirft man einen Blick auf die deutsche Politik und Raumplanung, entdeckt man kaum Konzepte für eine fachübergreifende Bodenpolitik – wenn man überhaupt Konzepte entdeckt. In Deutschland spielt Bodenpolitik in politischen Entscheidungen oft nur eine nebensächliche Rolle und zählt zu den vernachlässigten Politikfeldern. Dabei berührt Bodenpolitik so gut wie alle Bereiche der Stadt- und Raumplanung und sollte nicht nur als ein Randthema, sondern als interdisziplinäre Querschnittsaufgabe verstanden werden.
Die Verfügbarkeit von Boden und seine Nutzung spielen eine entscheidende Rolle bei den großen Herausforderun-gen der Zukunft. Dazu zählen gleichwertige Lebensbedingungen in der Stadt und auf dem Land, die Erhaltung der Biodiversität und umfassender Klimaschutz, eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Bewältigung von Pandemien und vieles mehr – die Liste ist lang.
Anlässlich der Bundestagswahl im September diesen Jahres in Deutschland hat sich deshalb das „Bündnis Bodenwende“ zum Ziel gesetzt, eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik zu einem Schwerpunkt der kommenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zu machen. Der überparteiliche Zusammenschluss der Bündnispartner*innen, darunter namhafte deutsche Akademien, Kammern, Verbände und Stiftungen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen – so auch die Trias Stiftung (Mehr zur Trias Stiftung erfahren? Hier geht’s zum Artikel) – hat sich auf Initiative der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung im letzten Jahr gegründet.
Es eint sie die Auffassung, dass nur die Zusammenarbeit eines breiten Spektrums zivilgesellschaftlicher Akteure den notwendigen Einfluss entfalten und Druck ausüben kann, um Bodenpolitik stärker in das Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit zu bringen.
Doch was fordert das Bündnis Bodenwende eigentlich genau?
Im Mittelpunkt der fünf Forderungen steht die Rolle des Bodens im städtebaulichen Kontext. Damit werden andere bedeutende Themenfelder der Bodenpolitik wie die landwirtschaftliche Bodennutzung, Infrastrukturplanungen oder der Waldbau leider vorerst ausgeklammert. Dennoch können die Forderungen als ein erster Schritt gesehen werden, um grundsätzlich mehr Sensibilität für die Relevanz des Themas zu schaffen und Druck auf die Politik ausüben zu können. Drei der fünf Forderungen werden im Folgenden näher betrachtet.
1 – Nachhaltige Nutzung von Freiräumen
Was sehr allgemein klingt, meint im Genaueren die Erhaltung von Freiräumen für ökologische und gemeinwohlorientierte Funktionen, die zu einer ökologischen Zukunftsfähigkeit und gerechten Nutzung des Bodens als eine Grundlage gleichwertiger Lebensverhältnisse beitragen. Aufgrund des hohen Drucks, der besonders in Verdichtungsräumen auf Freiräumen lastet, werden diese bevorzugt für bauliche und verkehrliche statt für ökologische und gemeinwohlorientierte Zwecke genutzt. Damit fehlen oftmals Räume, die wichtige Funktionen für den Klimaschutz und die biologische Vielfalt bieten und soziale Interaktions- und Erholungsräume schaffen.
Oftmals scheitert die Ansiedelung oder der Schutz einer grünen Infrastruktur*¹ an der Verfügbarkeit der erforderlichen Flächen, da sie nicht im kommunalen Besitz sind und der Erwerb zu teuer ist. Neben dem hohen Verwertungsdruck und den fehlenden kommunalen Mitteln, ist auch der erhöhte Flächenverbrauch ein Problem der aktuellen Bodennutzung. Das angestrebte Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, bis 2020 maximal 30 ha Fläche pro Tag für Siedlung und Verkehr zu verbrauchen, wird derzeit immer noch um fast 90 % in Deutschland überschritten.
Das Bündnis Bodenwende fordert deshalb einerseits, bebaute Räume und Freiräume zusammen gedacht zu entwickeln, um die positiven sozialen Rückwirkungen der Freiräume auf die Wohnqualität zu nutzen. Zum anderen muss eine ausgewogene Verteilung der Freiräume im Raum ermöglicht werden, um eine Basis für gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und nicht nur vereinzelte Gebiete profitieren zu lassen. Außerdem braucht es zwischen den Kommunen vermehrt Abstimmungen über eine gemeinsame Flächenvergabe, um den gegenseitigen Wettbewerb um Flächen zu minimieren und den Flächenverbrauch zu reduzieren. Zusätzlich könnten Freiflächen von bundeseigenen Liegenschaften wie die des Militärs oder der Bahn verfügbar gemacht werden und einen weiteren wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stadt- und Raumentwicklung leisten. Darüber hinaus wären regionale Boden- und Infrastrukturfonds sowie ein integriertes Bodenmanagement für Naturschutz, Bauland und Land- und Forstwirtschaft relevant, um eine gerechte und ökologische Bodennutzung zu fördern. Nicht zuletzt könnte eine vereinfachte Rücknahme von nicht mehr bedarfs- und nachfragegerechtem Baurecht die Umnutzung von baulich oder verkehrlich genutzten Flächen in nachhaltig genutzte Freiräume erleichtern.
*¹ „Grüne Infrastruktur“ kann als ein zusammenhängendes, geplantes Netzwerk an Grün- und Freiflächen verstanden werden, das vielfältige Funktionen erfüllt, wie z.B. Erholung, Reduktion von Wärmeinseln, Regenwassermanagement, Steigerung der Biodiversität,
Gesundheit der Bevölkerung, attraktive Wegenetze für Fuß- und Radverkehr.
2 – Boden ist Gemeingut und keine Ware
In Kreisen von bodenpolitischen Akteur*innen ist dies längst Konsens. In der deutschen Bodenpolitik hört man davon jedoch selten.
Gerade weil eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik entscheidend ist, um die anstehenden ökologischen Transformationsprozesse bewältigen, eine faire Wohnraumversorgung ermöglichen, aber auch die lokale soziale Infrastruktur sichern zu können, sollten Bodeneigentum und die Interessen des Gemeinwohls zusammengedacht werden. Derzeit gibt es im deutschen Städtebaurecht jedoch noch keinen gesetzlichen Passus dazu. Auf Grundlage eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes, der auf diesen Missstand aufmerksam macht, fordert das Bündnis Bodenwende eine gesetzliche Verpflichtung dazu, bei Bodeneigentum im Interesse des Gemeinwohls handeln zu müssen.
Zugleich sollte die Ausübung des Erbbaurechts*² erleichtert werden, um auch kleineren und mittleren Städten zu ermöglichen, dieses Instrument stärker nutzen zu können. Aktuell erfreut sich das Erbbaurecht in vielen größeren Städten wachsender Beliebtheit, doch birgt es einige Hürden und ist auf die heutigen Erfordernisse nicht ausreichend abgestimmt. So bietet es beispielsweise Raum für Spekulation und setzt auch keine dauerhafte Gemeinwohlbindung im Erbbaurechtsvertrag fest.
Darüber hinaus fordert das Bündnis eine bessere Transparenz im Bodenmarkt, damit nicht nur Bodenrichtwerte, sondern auch Eigentumsverhältnisse klarer einsehbar sind und Geldwäsche verhindert werden kann. Bisher sind die Beteiligungsverhältnisse großer Kapitalgesellschaften sehr schwer nachvollziehbar und die Veränderungen der Eigentumsverhältnisse werden im Grundbuch nicht sichtbar. Das hat zur Folge, dass solche Gesellschaften anstelle der Immobilie eher Anteile ihrer Gesellschaft veräußern und so der Grundbuchsteuer und dem kommunalen Vorkaufsrecht entgehen können. Solche intransparenten Strukturen sind sehr anfällig für Geldwäsche und Korruption und erschweren es Kommunen, ihren Bodenvorrat zu vergrößern.
3 – Soziale Marktwirtschaft nachjustieren
Die soziale Marktwirtschaft nachzujustieren klingt erst mal kompliziert. Damit gemeint ist jedoch, Werte wie Gerechtigkeit, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit und Solidarität an die Stelle eines renditeorientierten Ideals zu setzen.
So wie das deutsche Grundgesetz besagt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ (Grundgesetz, Artikel 14 Absatz 2), sollte dies auch in der Bodenpolitik ernst genommen werden. Dafür reicht es jedoch nicht aus, die bodenpolitische Debatte nur aus einer rein technischen Perspektive hinsichtlich wirkungsvoller Instrumente zu betrachten, sondern sie muss grundsätzlicher geführt werden, um den gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft gerecht werden zu können. Welche gesellschaftlichen Werte sind uns wichtig? Welche Werte sollte das sozialstaatliche Regelwerk abbilden?
Eine rein renditeorientierte Betrachtung von (Boden)Eigentum hat sich, wie die aktuellen Probleme der Bodenpolitik zeigen, dabei nicht bewährt.
*² Das Erbbaurecht ist das Recht, eine Immobilie auf fremdem Grundstück zu bauen oder zu kaufen. Der*Die Eigentümer*in des Grundstücks, der*die Erbbaurechtgeber*in, räumt dem*der Erbbaurechtnehmer*in ein Nutzungsrecht für das Grundstück ein. Damit kann der*die Erbbaurechtnehmer*in das Grundstück neu bebauen oder die vorhandene Immobilie kaufen und nutzen. Er*Sie wird also Eigentümer*in der Immobilie, pachtet jedoch das Grundstück. Beide Parteien schließen einen Erbbaurechtsvertrag ab, der eine festgesetzte Laufzeit hat, die üblicherweise zwischen 50 – 99 Jahre ist (Laufzeit ist verhandelbar und nicht gesetzlich festgeschrieben). Außerdem darf der*die Erbbaurechtgeber*in bei vielen Vorhaben des*der Erbbaurechtnehmer*in mitbestimmen und ein Veto einlegen.
Wie sollen diese Forderungen nun Gehör in der Politik und Öffentlichkeit finden?
Als ersten Schritt auf dem Weg zu einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik hat das Bündnis vor kurzem einen Fragen- und Forderungskatalog an die Parteien des deutschen Bundestages geschickt – sogenannte „Bodenpolitische Wahlprüfsteine“. Die Wahlprüfsteine sind eine Sammlung aus insgesamt 35 Fragen zu den 5 übergeordneten Forderungen (siehe oben) und sollen verdeutlichen, wie sehr und auf wie vielen Ebenen dringender Handlungsbedarf besteht und wie intensiv sich die Parteien mit aktuellen Fragen der Bodenpolitik auseinandersetzen und dazu stehen. Die Antworten der Parteien werden anschließend veröffentlicht und in einer öffentlichen Online-Debatte gemeinsam diskutiert, um den Diskurs auch einer breiteren Zuhörerschaft zugänglich zu machen.
Mehr zu den Forderungen und Fragen an die Parteien vom „Bündnis Bodenwende“ findest du hier: Link zum Dokument „Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021“