Wie sich der Gärtnerhof Ochsenherz vom Kleinbetrieb in eine solidarische Gemeinschaft gewandelt hat, die ihre Basis nun als Commons absichert.
Autor: Lorenz Glatz sen.
2011 unternahm der finanziell dürftig ausgestattete Gärtnerhof Ochsenherz einen Übergang zu Gemeinsamem Landwirtschaften. Statt sein biologisch-dynamisches Gemüse weiter auf zwei Märkten feilzubieten und damit kein Auskommen zu finden, wirtschaftete der Gärtnerhof nunmehr für eine Gruppe von Menschen, die ihm die Abnahme des Gemüses für ein Jahr über eine einmalige oder monatliche Vorauszahlung zusicherten. Dies bot den Gärtner*innen Abnahmesicherheit für eine Saison und ersparte Bankzinsen. Solidarität mit dem bedrängten Kleinbetrieb Gärtnerhof Ochsenherz und dafür hohe Qualität und Sicherheit über die Herkunft des Gemüses im Vergleich zum Supermarkt, waren der Beginn der Gemeinschaft. Dieses nicht einfach ökonomische Verhalten drängte von Anfang an über das Konzept einfacher Direktvermarktung hinaus.
Ein Großteil der Ernteteiler*innen unserer Gemeinschaft bezieht auch nicht wöchentlich ein abgepacktes Gemüse-Kistl, sondern hat sich für die freie Entnahme von Gemüse angemeldet. Diese Erneteiler*innen kommen zum Verteilstand am Naschmarkt und nehmen, was und wieviel sie nächste Woche mögen und brauchen. Doch was ist ein Ernteanteil? – Das was ein erwachsener Mensch, der gern Gemüse isst und meist täglich kocht, halt so braucht, ist die sehr ungefähre Antwort. Die Menschen, die den Stand betreuen und eine Tafel geben Auskunft, wovon nämlich viel und wenig da ist und ob grad Schwemme ist oder eher Knappheit. Erstaunlich, dass das meistens klaglos funktioniert. Der Gier des „homo oeconomicus“ stellt sich der „Genierer“ in den Weg und schlicht solidarisches Verhalten.
Und was kostet diese Freude, das leckere Gemüse? Schwer zu sagen, wir haben keine Waagen und wenn auf der Tafel steht, „pro Ernteanteil ein Stück“, können nach dem raren Stück Süchtige gern auch zwei haben, weil erstens nie alle abholen kommen und sicher auch nicht alle danach greifen. Und überhaupt: Wenn zu Saisonbeginn das Budget steht, sagt dieses nur, was uns das Ganze kostet, und dividiert durch die Anzahl der Ernteanteile ergibt das einen Durchschnitt, aber keinen Preis. Der Beitrag pro Ernteanteil wird nämlich nach den Einkommen selbst von jeder und jedem eingeschätzt. Falls das Jahresbudget nicht erreicht wird, gibt es bei der Jahresversammlung zu Beginn des Jahres Bieterrunden, bis das Budget gedeckt ist. Oft reicht eine Runde aus. Wirklich marktgerecht ist das nicht, solidarisch aber schon eher.
2014 verloren wir unseren Pachtgrund, den fruchtbar gemacht und erhaltenen Boden, da dieser in Bauland umgewidmet wurde. Wir fanden zwei andere Äcker, ein gutes Stück entfernt, aber gleich beim Feld, das schon Eigentum des Inhabers des Gärtnerhofs war. Dorthin hieß es umziehen und eine neue Infrastruktur aufbauen – mit Brunnen, Kanal, Anschluss an Elektrizität, Folientunnel und Büro, Sanitäranlage, Küche, Ruheraum. Letzteren Block stellte bis dahin das nahe Wohnprojekt Lebensraum zur Verfügung. Dafür mussten nunmehr Container her. Die Gemeinschaft formierte sich als Verein und beschloss, das Benötigte anzuschaffen durch zinsenlose oder höchstens inflationsgesichtere Darlehen und durch Ernteanteilsvorauszahlungen (liebevoll EAV genannt) etlicher Mitglieder, die seitdem mit den Beiträgen aller Mitglieder abgestottert werden. Der Inhaber sagte dafür zu, dass das neu Angeschaffte und das Stück seines Felds, auf dem dies steht, zu einem Gemeingut der Gemeinschaft der damit sich versorgenden Enteteiler*nnen und Gärtner*innen werden soll. Es sollte damit unwiderruflich für solidarische Landwirtschaft gesichert werden, angeschafft von den heutigen Mitgliedern und zum selben Zweck zur Verfügung gestellt auch für kommende Generationen – ein Commons also, und wieder ein Stückchen Solidarität. Als rechtliche Form dafür entschieden wir uns schließlich für eine gemeinnützige Stiftung mit dem Namen Munus. Das Wort bedeutet zugleich Gabe, Geschenk und Aufgabe, Verpflichtung.
2017 zog unser Gärtnereiinhaber aus zur Gründung einer neuen SoLawi (Solidarische Landwirtschaft) im Tullnerfeld. Was sollte er als Ablöse bekommen, wer sollte übernehmen? Geld und solidarisch wirtschaften sind nicht so recht eins ins andere übersetzbar. Herausgekommen ist schließlich mit einem Stück Geld, aber gegen die Geldlogik ein Gemeineigentum der beweglichen Güter für der Gärtner*innen und Ernteteiler*innen im gemeinsamen Verein GeLa Ochsenherz. Und ein paar Leute unter uns, die sich das leisten wollen, werden den Acker des bisherigen Inhabers kaufen. Dank Spenden ist auch die Munus Stiftung Teileigentümerin und erhält ein Vorkaufsrecht von den anderen Eigentümer*innen zu einem spekulationsresistenten Preis. Am Gärtnerhof arbeiten und Ernteteiler*in sein verschwimmt ein Stück weiter zum „Prosumenten“, weil einerseits die Gärtner*nnen ja auch vom Gemüse essen und andererseits Ernteteiler*innen freiwillig einen Schub Dinge übernehmen, die normalerweise vom Hof erledigt werden. Unterm Strich wieder ein Schritt weiter weg von „Jeder ist sich selbst der Nächste“ hin zu einem Commons.
Gleichzeitig und davon eher unabhängig vertieft sich die Kooperation mit unserem Schwesternprojekt Ouvertura, dessen Land auch zum Teil zum Gründungsgut der Munus Stiftung gehört, und hoffen wir auf weitere Kooperationen und gemeinsame Lernprozesse mit anderen SoLawis in der Umgebung.