Kollektive Eigentumsformen

Verein, Genossenschaft, verflochtene GmbHs oder Stiftung – in den letzten Jahren ist in Österreich eine Vielfalt an kollektiven Eigentumsformen entstanden. Geschaffen durch engagierte Menschen, die dasselbe Ziel antreibt: Land für gemeinschaftliches Leben zur Verfügung zu stellen und nachhaltig der Spekulation zu entziehen. Es ist wichtig künftig verstärkt den Gebäude-Bestand zu aktivieren und den Druck vom fruchtbaren Boden zu nehmen.

Autor*innen: Beatrice Stude mit Heinz Feldmann

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wiener Wohnprojekte – Gelebte Utopien“ hatte die Grüne Bildungswerkstatt am 1. Juli 2020 zur Diskussion geladen, am Podium diskutierten:

  • Barbara Nothegger: Bewohnerin des Wohnprojekts Wien und Autorin von „Sieben Stock Dorf“
  • Beatrice Stude: Stadtplanerin und Unterstützerin der Munus Stiftung – Boden für gutes Leben
  • Christoph Laimer: Mitglied von Bikes and Rails, einem HabiTAT-Wohnprojekt in Wien
  • Heinz Feldmann: Mitbegründer des Wohnprojekts Wien und Geschäftsführer der WoGen – Wohnprojekte-Genossenschaft
  • Marion Stöger: Gastgeberin und Moderatorin des Abends

Der Verein – Wohnprojekt Wien

Viele Wohnprojekte sind als Verein organisiert, wie beispielsweise das Wohnprojekt Wien im Nordbahnviertel. Der Vorteil: Ein Verein ist schnell eingerichtet und in Österreich für vieles einsetzbar. Oft steht der Verein am Anfang als Rechtsform, wenn ein Vorhaben beginnt – und könnte dann nach Bedarf umgewandelt werden. Doch zumeist bleibt es beim Verein. Dabei lässt die Rechtsform Verein die „Hintertür“ offen: So kann in einer Generalversammlung das kollektive Eigentum wieder in privates geändert werden. Ausgeschlossen bei den derzeit handelnden Akteur*innen! Doch was passiert wenn sich die Kultur im Haus ändert und die nächste Generation übernimmt?

Die WoGen – Wohnprojekte Genosschaft e.Gen.

Eine Genossenschaft ist da aufwendiger: Sie ist auf das Wohlergehen und das Gedeihen ihrer Mitglieder ausgerichtet. Sie wird alle ein bis zwei Jahre vom Revisionsverband kontrolliert – und das kostet Geld. 2015 gründeten einige Aktivist*innen Die WoGen – Wohnprojekte-Genossenschaft e.Gen. Sie ist Österreichs erste und bis dato einzige Bauträgerin, die ausschließlich gemeinschaftliche Wohnprojekte mit und für Menschen verwirklicht, die in Gemeinschaft leben wollen. Derzeit hat die WoGen ein fertiggestelltes Projekt in der Nähe von Graz: KooWo – Kooperatives Wohnen Volkersdorf. Das Zweite entsteht mitten in Wien, im Sonnwendviertel beim neuen Hauptbahnhof.

Die WoGen kann nicht so schnell expandieren, wie es derzeit Anfragen gibt, da sie als Eigentümerin aller Projekte, das volle Baukosten- und Bauzeitrisiko trägt. Daher muss die WoGen jede Projekt-Idee genau prüfen, weil sie mit dem Geld der Mitglieder sehr sorgsam umgeht. Denn bei Misserfolg eines Projektes greift die Solidarhaftung der Genossenschaft und alle Genossenschafter*innen springen unterstützend ein. Den Verkauf von Grundstücken, auf denen Genossenschafter*innen wohnen, ist bei der WoGen im Grunde ausgeschlossen: Es bräuchte eine sehr hohe Zustimmung dafür – auch von den Genossenschafter*innen, die auf dem Grundstück wohnen. Gleiches gilt für die Änderung der WoGen Statuten.

Verflochtende GmbHs – habiTAT und Bikes and Rails

Das habiTAT ist die österreichische Umsetzung des deutschen Mietshäusersyndikats und mit diesem durch das Netzwerk und teils durch Direktkredite verbunden. HabiTAT kauft Häuser für Menschen frei: Mit der Miete werden allmählich die Kaufkosten abbezahlt, der Solidaritätsbeitrag, ein Anteil der Miete, ergeht an das habiTAT für den Aufbau künftiger Projekte. Der Dachverband habiTAT als Teil jeden Projektes hat in der Eigentumsfrage Vetorechte und verhindert den Verkauf. Derzeit gibt es vier Projekte in Österreich – drei im Bestand und eines im Neubau: Bikes and Rails – in direkter Nachbarschaft zum WoGen-Projekt im Sonnenwendviertel. Jedes Haus-Projekt gehört einer eigens dafür gegründeten GmbH. Die GmbH wiederum gehört einerseits dem Bewohner*innenverein und andererseit dem habiTAT-Dachverband, der durch eine Sperrminorität den Verkauf verhindern kann. Ein einzelnes Projekt kann scheitern, ohne die anderen habiTAT-Häuser zu gefährden. Beim Mietshäusersyndikat, mit über 100 realisierten Projekten, ist bislang erst ein Projekt gescheitert. Der Verkauf zurück in Privateigentum ist de facto möglich, aber aufgrund des Vetorechts des Dachverbandes, in dem alle habiTAT-Projekte mitreden, im Grunde ausgeschlossen.

Die gemeinnützige Munus Stiftung – Boden für gutes Leben

Die gemeinnützige Bundesstiftung ist die sicherste Rechtsform um kollektives Eigentum abzusichern: Die Munus Stiftung – Boden für gutes Leben ist derzeit die einzige Stiftung dieser Art in Österreich. Ihr Zweck steht über allem und ist unveränderlich in ihrer Gründungerklärung festgeschrieben. Die in der Stiftung agierenden Menschen – im Vorstand, in Beiräten und im Aufsichtsrat – sind diesem Zweck unterworfen. In der Gründungserklärung ist die gemeinschaftlich ökologische Nutzung als Stiftungszwecks generell festgeschrieben und kann in der Zustiftung von Land spezifiziert werden – zum Beispiel in gemeinschaftliches Wohnen oder solidarische Landwirtschaft.

Um Österreich für zivilgesellschaftliche Aktivitäten attraktiver zu machen wurde 2015 das BStFG – Bundesstiftungs- und Fondgesetz novelliert: Nun ist Land, das in eine gemeinnützige Bundesstiftung eingebracht wird, befreit von der Grunderwerbssteuer, der Stiftungseingangssteuer und der Eintragungsgebühr. Im März 2019 wurde die gemeinnützige Munus Stiftung ins Leben gerufen: Die zwei Herzstücke solidarischer Landwirtschaften bilden das Gründungsgut: Mit der Munus Stiftung steht nun ein Werkzeug für alle zur Verfügung, um Land als Allmende für Gemeinschaften abzusichern.

Sorgsamer Umgang mit Boden?

Einzig die Munus Stiftung macht an diesem Abend deutlich, dass wir – wir alle als Gesellschaft – achtsamen Umgang mit unserer wertvollen Ressource Boden brauchen: Derzeit wird das Wohnen oft gegen die Landwirtschaft ausgespielt. Es braucht Mechanismen, um Bestand effizient zu nutzen und Leerstand aktivieren zu können. Denn bald sind die städtischen Brachflächen bebaut und das Bauen auf der grünen Wiese muss eingedämmt werden: Sonst zerstören wir weiter fruchtbare Böden, auf denen unsere Nahrung wachsen kann und machen uns noch stärker von Lebensmittel-Importen abhängig. Jedes Jahr werden laut Umweltbundesamt in Österreich 44 Quadratkilometer Boden verbraucht. Das sind 4.400 Hektar – ein Drittel unwiderbringlich versiegelt und damit alles Lebendige im Boden erstickt. Zum Vergleich: das ist die Fläche von Eisenstadt oder des zweitgrößten Wiener Gemeindebezirks Floridsdorf.

Was brauchen gemeinschaftliche Wohnprojekte?

Gemeinschaftliche Wohnprojekte, das ist verdichtete Bauweise kombiniert mit hoher Qualität der Gemeinschaftsflächen. Für gemeinschaftliche Wohnprojekte braucht es eine gesonderte Förderschiene. Derzeit sind die meisten als Verein organisiert und in Heimwidmung errichtet. Die Idee mit der Heimwidmung in Wien ist beim Umsetzen der Sargfabrik vor über 20 Jahren entstanden, weil damals nur mehr Wohnbaufördermittel für Heime verfügbar waren. Dieses bis heute von vielen Wiener Projekten gelebte „Provisorium“ hat drei Vorteile und vier Nachteile:

Die Gemeinschaften können alle Wohnungen selbst vergeben und die neuen Mitglieder ihres Projektes auswählen – bei Standardförderung würde die Stadt Wien ein Drittel der Wohnungen der Projekte vergeben. Die Pkw-Stellplatzverpflichtung reduziert sich auf ein Zehntel: Das Wohnprojekt Wien im Nordbahnviertel hätte als standardgefördertes Projekt mindestens 40 Pkw-Tiefgaragenplätze bauen müssen: Das hätte die Wohnungen erheblich verteuert und den Bau der Veranstaltungsräume im Untergeschoss verhindert, die Baukosten liegen mittlerweile bei rund 30.000 Euro für einen Pkw-Tiefgaragenplatz. Die Heimwidmung sorgt auch dafür, dass jede*r Bewohner*in als Mitglied einen Anteil am Haus hat, aber nicht die eigene Wohnung besitzt – das MRG – Mietrechtsgesetz greift hier nicht – das fördert die Gemeinschaft.

Die Nachteile: Die Fördersumme pro Quadratmeter ist etwas geringer als die Standardförderung für Wohnungen; die Bewohner*innen eines Heims können bei Bedarf keinen Mietzuschuss bekommen; die Brandschutzanforderungen steigen stetig und werden von den Behörden an die von Pflegeheimen angeglichen – das Bauen wird dadurch um hundertausende Euros teurer und komplizierter. Zudem ist die Heimförderschiene für Altenheime, Studierendenheime et cetera aufgesetzt: So liegt es immer auch im Ermessen der Behörden, ob das jeweilige Gemeinschaftsprojekt als Heim eingestuft und als solches genehmigt wird.

Waren die ersten gemeinschaftlichen Wohn-Projekte noch sehr geprägt von individueller Grundrissgestaltung, so gehen die jüngeren eher zurück zu gut geschnittenen Wohnungen und Regelgeschossen: So kann je nach Bedarf – die Kinder ziehen aus, der neue Partner zieht mit ein undsoweiter – flexibel reagiert werden und die Wohnungen entsprechend den Platzbedürfnissen getauscht werden: Die Wohnung wechselt, aber du bleibst im selben Haus. Künftig ist vielleicht auch ein Wechsel zwischen den gemeinschaftlichen Wohnhäusern denkbar. Gemeinschaftliches Wohnen, da angepasst an die Bedürfnisse der Menschen, schafft effiziente Wohnraumnutzung.

Vielfalt der Eigentumsformen – ihr habt die Wahl

Welche Form eine Gruppe von Menschen für ihr Vorhaben wählt ist oft Geschmacksache. Die gemeinnützige Stiftung eignet sich beispielsweise nicht als Rechtsform, um Land mit (Direkt-)Krediten über die Jahre freizukaufen. Die verschiedenen kollektiven Eigentumsformen können auch zusammen genutzt werden: Das Land, wenn es freigekauft ist, in der Stiftung gesichert und das Gebäude darauf im Baurecht an einen Verein, die WoGen oder habiTAT vergeben werden.

Diesen Beitrag hab ich gemeinsam mit Heinz Feldmann verfasst, er ist bei Munus Stiftung und Die WoGen erschienen.

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