Das Klischee vom Leben am Biobauernhof stößt hier sehr schnell an seine Grenzen: Bei einer Solidarischen Landwirtschaft in Moosbrunn stellt eine Gruppe junger Menschen, vorwiegend Frauen, traditionelle Vorstellungen von Landwirtschaft auf den Kopf. Und erprobt dabei Möglichkeiten für eine bäuerliche Zukunft, in der Ökologie, Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit einen festen Platz haben.
Autorinnen: Inga Braukmann, Sara Schaupp und Sandra Travnitzky
Entschuldigen Sie bitte, wo geht’s hier zum Bauernhof? Nähert man sich dem ORF-Kurzwellensender in Moosbrunn, springen einem zuerst diese riesenhaften Metallgebilde ins Auge. Die Antennen, die das unscheinbare Gebäude umgeben, schaffen ein Bild wie aus einem alten Science-Fiction-Film. Doch kommt man näher, ertönt ein lebhaftes Gackern. Hier scharren Hühner fleißig in der Erde und suchen im Gebüsch nach Futter. Gleich nebenan steht der himmelblaue Traktor und wartet auf seinen nächsten Feldeinsatz. Die Bio-Idylle in der Funkstation?
Hier, wo einige engagierte Rundfunker*innen einen der letzten Kurzwellensender Europas betreiben und erhalten, hat sich kürzlich ein neues Projekt angesiedelt – eine junge Solidarische Landwirtschaft namens Ouvertura. Angefangen hat alles im Jahr 2017 mit ein paar Hektar Land, einigen motivierten jungen Menschen und vielen guten Ideen: Landwirtschaft ohne den Druck der Großhändler, bäuerliches Leben ohne Geschlechterstereotypen, Versorgung von Menschen mit hochwertigen Lebensmittel, unabhängig von ihrer Einkommenssituation.
Entstanden ist daraus ein Gemeinschaftsbetrieb, der vom Verein Ouvertura geführt wird. Die alltägliche Arbeit liegt dabei fest in Frauenhand: Sandra, Sara und Inga arbeiten hier mit der Unterstützung vieler Ehrenamtlicher, um die Kistl für ihre Ernteteiler*innen zu füllen. Ernteteiler*innen, das sind die zurzeit rund 60 Mitglieder des Vereins, die mit einem finanziellen Beitrag und zum Teil mit tatkräftiger Hilfe diese Form der Landwirtschaft ermöglichen. Alles, was in einer Saison geerntet, verarbeitet und in die Kistl gepackt wird, wird an die Mitglieder des Vereins verteilt. Dem Markt und seinen schwankenden Preisen sieht man hier nur aus der Ferne zu.
Die drei Angestellten am Hof und ein „harter Kern“ an Ehrenamtlichen führen den Betrieb gemeinschaftlich. Chefin will hier niemand genannt werden. Gemeinsam bewerkstelligen sie den Ackerbau, versorgen ihre Hennen, fällen Bäume für die Pilzzucht, kochen Obst und Gemüse ein und mahlen Getreide und Mais vom eigenen Acker. Und immer wieder läutet das „Feldtelefon“, und jemand aus der Nachbarschaft bietet Obst von einem übervollen Baum zum Ernten und Verteilen an. All das kommt in die Kistl, mit denen die Ernteteiler*innen mit frischen Produkten aus der Region versorgt werden und an deren Entstehen sie aktiv mitwirken können. „Es ist vor allem das aktive Mittun unserer Vereinsmitglieder, die hilfsbereite Nachbarschaft und die Unterstützung anderer Bauern und Bäuerinnen hier in der Region, die das Projekt zum Wachsen gebracht haben“, sagt Inga. „Ohne dieses Zusammenhelfen wäre Ouvertura nicht das schöne und lebendige Ding, das es jetzt ist.“ Die Lust am Neuen scheint nicht weniger zu werden – im nächsten Jahr soll zum Beispiel Honig aus eigener Imkerei dazukommen.
Wer jetzt Appetit bekommen hat, kann sich hier gleich für ein Kistl anmelden. Die Kistlmitgliedschaft läuft immer für ein Jahr. Einstieg ist jetzt im Winter möglich für genussvolles aus der Region: Getreideprodukte, Obst, Hülsenfrüchte, Eier, Pilze, Nüsse und Eingekochtes.