Mehr Bäuerinnen und Bauern bracht das Land!

Höfesterben – ein unabwendbares Schicksal? Die Plattform Perspektive Landwirtschaft verbindet Menschen und Höfe – außerfamiliär und arbeitet künftig mit der Munus Stiftung zusammen.

Autorinnen: Katharina Hagenhofer und Margit Fischer

Verwaiste Ställe, zugewucherte Weiden, leere Almen – das Höfesterben wird immer sichtbarer, auch wenn der Strukturwandel sich in den letzten Jahren etwas verlangsamt hat. Österreich verliert aktuell jährlich über 2.500 landwirtschaftliche Betriebe (Pammer 2019). Mit den Bauernhöfen gehen auch Vielfalt und Kulturlandschaft verloren, ländliche Regionen leiden unter Abwanderung und längere Transportwege belasten die Umwelt.

Dass Betriebe nicht weitergeführt werden, hat verschiedenste Gründe, und fehlende NachfolgerInnen in der Familie sind nur einer davon. Bei 29% der Betriebe ist die Hofnachfolge nicht geklärt (vgl. Quendler et al. 2015). Wenn Höfe aber keine Nachfolge finden, werden ihre Flächen meist von anderen, größeren Betrieben übernommen und es wird dem Mantra vom ‚Wachsen oder Weichen’ gefolgt. Welchen Verlust das sowohl auf menschlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene bedeutet, wird dabei zu oft außer Acht gelassen. Für die Altbauern und –bäuerinnen, die ihr oft seit Generationen weitervererbtes Lebenswerk nicht oder nicht zeitgerecht in die Hände vertrauenswürdiger NachfolgerInnen weitergeben können, ist dies nicht nur ein großer emotionaler Verlust, sondern kann durchaus auch gesundheitliche Folgen haben: Viele arbeiten zu lange weiter, obwohl sie schon nicht mehr können. Erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, konfrontieren sie sich mit der schwierigen Entscheidung zur Betriebsaufgabe (vgl. Brunmayr 2015: 75-76).

Gleichzeitig ist es auch für potentielle HoferbInnen oft ein belastendes Thema: die Verantwortung dafür zu tragen, ob der Hof weitergeführt wird oder nicht, ist eine so emotional behaftete und mit Druck verbundene Anforderung, dass sie den eigenen Ausbildungs- und Berufsweg massiv beeinflussen kann und das Gefühl, frei entscheiden zu können, in zu vielen Fällen fehlt. Das kann auch erhebliche Belastungen für das familiäre Sozialgefüge bedeuten. Dieser Druck entsteht oftmals durch das drohende Aus des Hofes, da Landwirtschaft eher als Schicksal denn als bewusst getroffene Entscheidung wahrgenommen wird. Wenn niemand der Kinder zur Nachfolge bereit ist oder es keine Kinder gibt, wird außerfamiliäre Hofübergabe noch in eher geringem Ausmaß als Alternative in Betracht gezogen.

Neue Landwirt*innen – neue Perspektiven

Aufgrund des durchdringenden Wesens der neoliberalen Logik vom ‚Wachsen oder Weichen’ und der damit einhergehenden zunehmenden Abwertung kleinstrukturierter Betriebe kommen viele alternde LandwirtInnen gar nicht dazu, sich mit den Alternativen zu einer Hofnachfolge in der Familie zu beschäftigen: Es muss über den Tellerrand geschaut werden, um Denkmuster aufzubrechen. 

So gibt es seit einigen Jahren immer mehr Initiativen, die neue Wege des Umgangs mit der Hofnachfolge-Thematik gehen: sei es durch rechtzeitige Aufklärungs- und Bewusstseinsbildungsarbeit, um BetriebsleiterInnen schon viel früher zur Auseinandersetzung mit der Zukunft ihres Hofes zu animieren und dabei kompetent zur Seite zu stehen; durch die Förderung, Ausbildung und Unterstützung motivierter QuereinsteigerInnen; oder gar durch die Vermittlung möglicher außerfamiliärer HoferbInnen an angehende HofübergeberInnen (vgl. Hagenhofer 2015).  

Letzteres hat sich das Netzwerk Existenzgründung in der Landwirtschaft zur Aufgabe gemacht: Seit November 2017 können Hofsuchende und Hofübergebende auf www.perspektive-landwirtschaft.at einen Steckbriefe anlegen und miteinander in Kontakt treten. Die Plattform bietet Infos und Begleitung zur außerfamiliären Hofübergabe und schafft mit Veranstaltungen auch analog Möglichkeiten, sich kennenzulernen und auszutauschen. Viele Kontakte zwischen Generationen, aber auch zwischen Hofkollektiven und MitbewirtschaftterInnen sind bereits zustande gekommen. 

Außerfamiliäre Hofnachfolge ist im Grunde nichts Neues: Rechtliche Möglichkeiten wie die Leibrente, bei der die Hofübergebenden bis zum Lebensende eine monatliche Summe und je nach Absprache bestimmte Naturalien oder Dienstleistungen als Kaufpreis für ihren Hof erhalten, bieten schon lange die Möglichkeit, Höfe auch außerhalb der üblichen Erblinien auf eine für die Hofsuchenden leistbare Weise weiterzugeben. Was aber neu ist, ist ein Phänomen, das van der Ploeg als ‚new peasantries’ bezeichnet (vgl. Ploeg 2008), das neue Kleinbauerntum: Immer mehr Menschen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund entscheiden sich bewusst für die Landwirtschaft, interessieren sich dabei insbesondere für ökologisch nachhaltige Produktionsweisen und erkunden neue Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens, die ihren oft idealistischen Ansprüchen gerecht werden. (Heistinger 2011)

Fernab von romantisierenden Hippies sind diese Menschen oft gut ausgebildet, haben umfassende landwirtschaftliche Erfahrungen im In- und Ausland gesammelt und begegnen den Herausforderungen des kleinbäuerlichen Alltags mit einer Experimentierfreude, einem ‚frischen Blick’ und einem Handwerkszeug in Sachen Vernetzung und Querdenken, die zur Innovationsfähigkeit der Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten. 

So zeigen Erfahrungen, dass NeueinsteigerInnen oft innovative Ansätze sowohl in der Produktion als auch in der Vermarktung und Finanzierung mitbringen, ihre KonsumentInnen direkter einbeziehen und mit hohen Qualitätsansprüchen überzeugen. Sie arbeiten oft ökologisch (wenn auch nicht immer zertifiziert) und üben ihren Beruf mit Leidenschaft und Überzeugung aus (vgl. Boxtel et al. 2016). 

Die ersten zwei Jahre seit Bestehen der Plattform haben gezeigt, dass Hofsuchende etwa zur Hälfte NeueinsteigerInnen sind. Die andere Hälfte sind weichende ErbInnen, sie kommen von einer Landwirtschaft, die von Bruder oder Schwester übernommen wird. In jedem Fall sind zweijährige Erfahrung oder eine landwirtschaftliche Ausbildung, wie z.B. der Facharbeiterbrief, Voraussetzung für die Aufnahme in die Plattform. Auch die Zusammenarbeit mit der Munus-Stiftung wurde bereits erprobt und erweist sich als eine glückliche Fügung. In Zukunft sollen für Betriebe in der Munus Stiftung bei Bedarf neue BewirtschafterInnen auch über Perspektive Landwirtschaft gesucht werden. Auf eine gute Zusammenarbeit!